Pia Troxler

Abendessen

 

"Schneewittchen setzte sich an den Tisch. Niemals zuvor waren die Zwerge um sieben noch nicht von der Arbeit zurück gewesen. Das Essen wurde kalt. Sollte es alles wieder in die Küche tragen? O je, was war nur los? Mal schauen, ob die liebe Schar draußen zu sehen war. Kurz bevor es bei der Haustür ankam, ging diese auf. Es wollte jubeln, die Zwerge begrüßen, doch welch ein Schreck! Vor der Tür stand seine Mutter! Nein, die Mutter stand nicht, sie kam herein. Sie hatte nicht angeklopft, trat einfach ein, kam auf Schneewittchen zu, ohne einen Gruss, und ging an ihm vorbei, als sei es Luft, und sie in diesem Haus Zuhause.
Schneewittchen war verzweifelt. Was sollte es tun? Die Mutter hier und keine Zwerge daheim, um diese freche Person in die Schranken zu weisen! Plötzlich war es fest entschlossen. Heute, ja heute, wollte es der Mutter selbst die Stirn bieten. Es ging in die Kammer zurück. Was sah es! Die Mutter mit allen Zwergen am Tisch. Teller und Schüsseln waren leergegessen und die Mutter redete. Sie redete und redete. Die Zwerge, ganz eingeschüchtert, rutschten auf ihren Stühlen herum oder blickten dumm vor sich hin. Und, kaum zu glauben, der größte von ihnen, sonst nie um ein Wort verlegen, fraß seine eigene Hand auf. Seine Finger fehlten schon fast ganz. «Lorenz», schrie Schneewittchen, «friss sie, nicht dich.»
Die Mutter lachte sehr laut. Schneewittchen ging zu ihr hin. «Was machst du hier?», fragte es mutig. Da war die Mutter verschwunden. Schneewittchen fand sich ganz allein vor dem Esstisch. Keine Mutter, keine Zwerge. Auch vom Essen war nichts übrig. «Herrjemine!» Schneewittchen setzte sich auf seinen Stuhl. Wie spät war es?" © Pia Troxler

arrow Zurück